Buhne Vier

Text & Musik: William Wahl

Sie schimmert immer noch wie Silber
Die laute, große, weite See
Und so wie damals singen die Wellen
Ihre Sehnsuchtssinfonie

Wollt' nie hierher zurück
Trotzdem spür ich dies Glück, genau hier
Wo du mit mir saßt im Sand vor Buhne Vier


Die Möwen, denen du deine Waffel
Und dazu meine letzte gabst
Kreischen ihre ewig gleichen Lieder
In den unendlich blauen Tag

Wollt' hier nie wieder sein
Und doch sitz ich allein genau hier
Wo du mit mir saßt im Sand vor Buhne Vier


Ich weiß nicht, wann es besser wurde
Doch dass es gut ist, sagt die See
Und auch die Narben, die wir tragen
Tun nur noch selten weh

Ein Paar sitzt da und schaut aufs Wasser
Den immerwährenden Wellengang
Und für jede Welle, die verschwindet
Hebt eine neue an

Alles hat seine Zeit
Und jetzt bin ich bereit, wir waren wir
Und nun bin es ich im Sand vor Buhne vier

Frau Marstetter

Text & Musik: Julian Schramm/William Wahl

Lernst zu sehen, lernst zu kriechen, krabbeln, laufen
Das Schlafengehen, das an Muttermilch besaufen
Lernst zu nehmen und du lernst zu geben
Lernst nicht aus, denn du lernst fürs Leben

Lernst zu bitten und dich zu bedanken
Lernst Gleichungen mit zwei Unbekannten
Lernst zu teilen, auszuteilen, einzustecken
Und dann lernst du irgendwann auch wie Küsse schmecken
Und du lernst und lernst und lernst, und streckst dich nach den Sternen

Wir sind alle schon so weit gekommen
Mal ein Herz verloren, mal eins gewonnen
Wir haben ausgeteilt und kassiert
Haben so oft den Mund zu voll genommen
Sind gescheitert, haben von vorn begonnen
Und es irgendwann kapiert


Lernst Gesetze, Gebote, Normen, Regeln
Sie zu brechen oder zu umgehen
Lernst für Teste, Klausuren und für Scheine
Lernst Mädels kennen, aber erst mit der einen
Wie soll man sagen? Tja, ich glaube was du lernst, ist
Dass das Leben manchmal wirklich ernst ist

Und du lernst es heulend auf dem Zimmer
Liebe ist ein Arschloch, nichts ist für immer
Du lernst, wie es ist, etwas zu versieben
Und dann lernst du, ohne es zu wollen, dich zu entlieben
Und du lernst und lernst und lernst, und streckst dich nach den Sternen

Wir sind alle schon so weit gekommen
Mal ein Herz verloren, mal eins gewonnen
Wir haben ausgeteilt und kassiert
Haben so oft den Mund zu voll genommen
Sind gescheitert, haben von vorn begonnen
Und es irgendwann kapiert


Ja, du lernst und lernst und lernst, und du wirst du selbst
Denn du lernst zu stehen, nur indem du fällst

Wir sind alle schon so weit gekommen
Mal ein Herz verloren, mal eins gewonnen
Wir haben ausgeteilt und kassiert
Haben so oft den Mund zu voll genommen
Sind gescheitert, haben von vorn begonnen
Und es irgendwann kapiert

Frau Marstetter

Text & Musik: William Wahl

An Kasse Drei sitzt seit zwanzig vor zwei Frau Marstetter
Deos und Babybrei ziehen stetig vorbei an Frau Marstetter
Windeln, Shampoos, Aromen fürs Bad
Rote-Bete-Saft aus Konzentrat
Und der Scanner, der tickt
Und die Weste, die zwickt

Pärchen im Stress kaufen Schwangerschaftstests bei Frau Marstetter
Duschgels und Pfandbons gehen über das Band von Frau Marstetter
Ein Storno um Viertel nach Vier
Der Chef kommt und sagt ihr
,,Ich hab's Ihnen schon so oft gezeigt"
Und Frau Marstetter schweigt

Doch heut Nacht werden Lichter sich um sie drehen
Sie werden scheinen und kreisen und alles wird stehen bleiben
Und was verloren und kaputt ging, wird ganz
Denn alles wird gut, wenn Frau Marstetter tanzt


Kichernde Teens kaufen löchrige Jeans bei Frau Marstetter
Junge Frauen mit Hund Kondome in bunt bei Frau Marstetter
Pause um viertel vor neun
Erinnerungen, die sich zerstreuen
Und der Abend, der naht
Und keiner der fragt

Doch heut Nacht werden Lichter sich um sie drehen
Sie werden scheinen und kreisen und alles wird stehen bleiben
Und was verloren und kaputt ging, wird ganz
Denn alles wird gut, wenn Frau Marstetter tanzt


Ein Mann torkelt schimpfend nach draußen
Er kämpft seine eigene Schlacht
Ein Mädchen, die Schminke verlaufen
Schleicht sich raus in die Nacht
Frau Marstetter fühlt sich erinnert
Sie weiß nicht, an wen und woran
Und dann, irgendwann ist der letzte gegangen

Sie macht zu und sie merkt, sie kann kaum noch stehen
Sie denkt, es ist wohl besser, wannanders zu gehen
Und sie läuft heim durch die Nacht dieses müden Lands
Das darauf wartet, dass Frau Marstetter tanzt

Nachkommen

Text: Arndt Schmöle/William Wahl, Musik: William Wahl

Hallo, mein Lieber, klar, ist tolles Wetter
Wie gemacht für unseren Ausflug in den Zoo
Ich wollte den auch gar nicht komplett canceln
Doch es ist bei mir und meiner Freundin so

Dass unser Timing sich verschoben hat
Was man sonst abends tut, tun wir nun bei Tag
Das hat sich irgendwie so ergeben
Drum verzeih, wenn ich jetzt sag

Wir werden nachkommen, denn wir wollen Nachkommen
Und wie du weißt, geht das nicht von allein
Wir werden nachkommen, denn wir wollen Nachkommen
Und darum werden wir heut etwas später sein

Wir werden nachkommen, denn wir wollen Nachkommen
Wir hoffen sehr, du nimmst es mit Humor
Wir werden nachkommen, denn wir wollen Nachkommen
Und Nachkommen kommen nicht von selber vor


Anscheinend hast du mich nicht ganz verstanden
Irgendwie hatte ich das im Gespür
Jedenfalls stehst du ein paar Minuten später
Vor unserer Wohnung und du klingelst an der Tür

Moment, sag ich, und hüll' mich in ein Laken
Da stehst du schon vor dem Türspion
,,Wir können nicht", ruf ich und du fragst ,,Warum nicht?"
Hey, du kennst die Antwort schon

Du solltest vorfahren, wir werden Vorfahren
Jedenfalls ist das gerade unser Plan
Du kannst ruhig vorfahren, wir werden Vorfahren
Wir können nicht, jedenfalls nicht momentan

Du solltest vorfahren, wir werden Vorfahren
Oder warte kurz und lies ein gutes Buch
Du kannst ruhig vorfahren, wir werden Vorfahren
Wir unternehmen zumindest gerade den Versuch


Wenn du sauer bist, dann schlicht' ich
Unseren Streit, doch es ist wichtig
Dass du begreifst: Es ist an der Zeit
Dass Vorfahren nachkommen
Damit Nachfahren vorkommen

Wir werden nachkommen, denn wir wollen Nachkommen
Und wie du weißt, geht das nicht von allein
Wir werden nachkommen, denn wir wollen Nachkommen
Und darum werden wir heut etwas später sein

Du solltest vorfahren, denn wir werden Vorfahren
Wir hoffen sehr, du nimmst es mit Humor
Du solltest vorfahren, denn wir werden Vorfahren
Wir werden nachkommen, denn wir wollen Nachkommen
Und Nachkommen kommen nicht von selber vor

Ein kleines bisschen Hass

Text & Musik: William Wahl

Du hältst alten Damen beim Bäcker die Tür auf
Sagst ,,Gesundheit", wann auch immer jemand niest
Gibst deiner Schwester einen Mädelstrip an die Cote d'Azur aus
Klar, dass du, während sie weg ist, ihre Blumen für sie gießt

Du machst deinem Kollegen, der dir eigentlich unterstellt ist
Morgens 'nen Kaffee mit heißer Milch
Oft denkst du dir, dass du vielleicht zu nett für diese Welt bist
Doch lieber bist du netter Kerl als böser Knilch

Doch dann siehst du diesen Mann an der Straßenbahnstation
Er rennt zur Bahn, doch deren Türen schließen sich ja schon
Du sitzt am Fensterplatz und fieberst mit - er schafft es nicht
Er flucht, schlägt gegen's Fenster, und da freust du dich

Ein kleines bisschen Hass, ein kleines bisschen Niedertracht
Und etwas Missgunst tut jedem mal gut
Ein kleines bisschen Schadenfreude, etwas Widerwärtigkeit
Und schon fühlst du dich voller neuem Lebensmut


Zwar sollst du dabei nie vergessen
Dich am Hass nicht zu überfressen
Doch du darfst ruhig mal dran naschen
Versehentlich das Negligée der Exfreundin auf neunzig Grad zu waschen
Wär zum Beispiel nicht zu krass
Gönn dir ein kleines bisschen Hass

Siehst du dort die große Parklücke da gleich am Supermarkt?
Dort passen mindestens zwei Autos hin, wenn man mit Umsicht parkt
Aber wie oft musstest du unter Fluchen
Dir weiter weg 'nen anderen Parkplatz suchen
Weil ein Idiot einfach in der Mitte parkte
Das waren für dich mal mindestens zwei kleine Herzinfarkte

Darum fahr jetzt bitte vorwärts in die Lücke, ruhig ein großes Stück
Aber dann beim Rückwahrtsfahren nur ein kleines Stück zurück
Oh, wie oft wurdest du bisherig
Bei so Aktionen fast cholerisch
Über so Spacken mit 'nem niedrigen IQ
Ist das nicht schön: der bist heut du

Ein kleines bisschen Hass, ein kleines bisschen Niedertracht
Und etwas Missgunst tut jedem mal gut
Ein kleines bisschen Schadenfreude, etwas Widerwärtigkeit
Und schon fühlst du dich voller neuem Lebensmut

Zwar sollst du dabei nie vergessen
Dich am Hass nicht zu überfressen
Aber du darfst ruhig dran probieren
Dem Lieblingsnachbar mitternachts in sein Gemüsebeet zu urinieren
Wär zum Beispiel nicht zu krass
Gönn dir ein kleines bisschen Hass


Kurz zurück zu dem Kollegen, dem du morgens Kaffee bringst
Und der sich nie bei dir mal revanchiert, was du nicht gerade höflich findest
Auch heute bringst du ihm seinen Kaffee
Er nimmt 'nen Schluck und rennt gleich zum W.C.
Ach so, die Milch war, wer hätte das gedacht
Die mit Mindesthaltbarkeit 2008

Ein kleines bisschen Hass, ein kleines bisschen Niedertracht
Und etwas Missgunst tut jedem mal gut
Ein kleines bisschen Schadenfreude, etwas Widerwärtigkeit
Und schon fühlst du dich voller neuem Lebensmut

Zwar sollst du dabei nie vergessen
Dich am Hass nicht zu überfressen
Doch du darfst ruhig mal dran schlecken
Aber den Hund, der zu laut bellte, mit 'nem Kopfschuss niederstrecken
War dann doch ein bisschen krass
Den nächsten spritzt du vielleicht einfach besser nass
Ich glaub, du findest schon von selber irgendwas
Gönn dir ein kleines bisschen, ein ganz klein bisschen
Ein kleines bisschen Hass





Cut, copy & paste

Text & Musik: William Wahl

Textbausteine sind markiert
Neue Shortcuts definiert
Das geht so schon jahrelang
Mit dem Auftragsüberhang
Tausend Mails im Posteingang
Also cut, copy & paste!

Das Controlling will von mir
Noch heut das Strategiepapier
Unsere Arbeit endet nie
Schmerz im Rücken, Gicht im Knie
Dann die Erdnussallergie
Also cut, copy & paste!

Eisig weht uns der Wind ins Gesicht
Warum tut's die Klimasteuerung nicht?
Wann werden wir unsere Liebsten wiedersehen?
Wir um halb fünf, der Praktikant um viertel nach zehn


Wir kämpfen Seit' an Seit' zusammen
Mit dem neuen Prüfprogramm
Powerpointpräsentation
Der Sales Director drängelt schon
Ja, wir verdienen unseren Lohn
Nur mit Cut, copy & paste

Männer wie wir sind ungezähmt und frei
Unsere Sehnenscheiden entzündet von der ganzen Klickerei
Wir stehen zusammen gegen Sturm und Wind
Solange noch Nespressokapseln in der Teeküche sind

Ja, unser Ton ist manchmal derb und rauh
Denn wir fürchten nichts außer Personalabbau
Männer wie wir fluchen von morgens früh bis spät
Wo ist verdammt nochmal das Milchaufschäumgerät?


Lasst uns zur Kantine gehen
Doch wer soll das überstehen?
Sie wird unser aller Grab
Denn heute ist Gemüsetag
Cut, copy & paste!
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